Bärendienst Best Practices

Bärendienst Best Practices

In den letzten Monaten hat sich mir verstärkt der Gedanke eingeprägt, dass in vielen Organisationsberater–Kunden–Beziehungen häufig ineffektive Erwartungshaltungen und Denkmuster herrschen. Berater schüren sie, Kunden hegen sie, und beide Partner tragen dazu bei, dass langfristig positive Ergebnisse ausbleiben.

Diese Erwartungen äußern sich so: Berater verstehen sich als Experten und preschen schon im Erstkontakt mit bewährten Handlungsempfehlungen (“Best Practices”) vor. Kunden erwarten zu Recht, schnell schlaue Erfolgsanleitungen von außen zu erhalten. Und wo liegt da das Problem?

Organisation als Maschine

Es liegt meiner Beobachtung nach im Wunsch, immer komplexer vernetzte Unternehmen mit einfachen, wiederholbaren Rezepten zu kontrollieren, während sich deren Umfeld zusätzlich schneller und schneller verändert. Es liegt in der Metapher der Organisation als komplizierter, aber letztlich berechenbarer Maschine mit klar definierter Zukunft. Und es liegt an Aktionismus, der sich nicht um Risiken und Nebenwirkungen schert (Taleb nennt das „naiver Interventionismus“ – Buchtitel “Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen”.

In den Begriffen von Snowdens Cynefin-Framework (Harvard-Business-Review-Artikel): Komplex-adaptive Systeme als lediglich kompliziert misszuverstehen, wie es Organisationen tun, führt zu überflüssigen Aktivitäten von Experten, und damit bestenfalls zu verschwendeten Ressourcen. Denn was gestern noch galt, ist heute schon überholt. Und Prognosen sind in komplexen Systemen nun mal schwierig – besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber wenn man dafür sensibilisiert ist, was sollte man tun?

Zuerst empfehle ich, zu Beginn von Beratungsprojekten immer zu schauen, ob die Domäne nun vorwiegend einfach, kompliziert, komplex oder chaotisch ist. Manche Dinge sind einfach zu lösen, die gilt es schlicht zu tun und nicht zu verkomplizieren. Manche Dinge sind kompliziert und mit Expertenwissen systematisch zu lösen. Da ist dann klassisches Projektmanagement gefragt.

Testballons für komplexe Domänen

Wenn die Domäne dann aber als komplex erkennbar wird, wie zum Beispiel im Change Management für die Einführung eines digitalen Arbeitsplatzes / Enterprise 2.0-Projekts, bietet es sich an, zunächst eine taktische Meta-Position einzunehmen. Schnelle, billige, und damit risikofreie “Testballons” sollten starten. Diese ermöglichen es dem Projektteam, genau zuzusehen, wie die Organisation reagiert, und mit diesem zusätzlichen Wissen gezielt die nächsten Schritte zu machen. Dass einzelne Testballons platzen, darf niemanden überraschen – nur so lernt man mehr.

Hier ist Mut gefragt: Zugeben zu können, Dinge nicht zu wissen. Dann aber Raum zu schaffen für experimentelles Vorgehen aus mehreren Perspektiven. Neugierig und offen in der Beobachtung zu bleiben, um die Pointe in den Geschichten nicht zu verpassen, die einem die Mitarbeiter der Organisation zum Thema erzählen. So wandelt sich der Berater vom rein analytischen Inhaltsexperten zum empathischen Katalysator von Erkenntnisprozessen im Unternehmen.

Demnächst lesen Sie mehr an dieser Stelle zu konkreten Beispielen, welche Methoden sich dafür im Projekt anbieten. Welche Erfahrungen haben Sie mit komplexen Problemstellungen gemacht?

– Ein Beitrag des ehemaligen Kollegen Sven Körber

Photo by Becca on Unsplash

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