Phantastische Zukunftswelten auf der #CCW2018 – Interview mit Steampunk Alex Schlesier

Phantastische Zukunftswelten auf der #CCW2018 – Interview mit Steampunk Alex Schlesier

Jules Verne trifft auf Digitalisierung. Der Steampunker Alex Schlesier zeigt während der CCW 2018 auf dem Stand der infinIT.cx GmbH seinen Teleprinter. Ein Interview mit dem Künstler aus Ingolstadt.

Kai Nörtemann: Was ist Steampunk?

Alex Schlesier: Steampunk zählt zu den Alternativweltgeschichten. Der Begriff (der allerdings erst in den 1980er Jahren geprägt wurde) steht heute für ein multimediales Genre, dessen Wurzeln in der Literatur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts liegen. Einflussnehmend waren die Werke von Autoren wie Jules Verne oder H. G. Wells, die aus ihrer Zeit heraus futuristische und zugleich phantastische Zukunftswelten beschrieben, die von Abenteurern und teils kuriosen technischen Erfindungen geprägt waren.

Vereinfacht und zusammenfassend könnte man Steampunk als eine Mischung aus Science Fiction und Abenteuer Romanen beschreiben.

Das 19. Jahrhundert ist die Zeit der industriellen Revolution. Die Dampfmaschine erlebt ihre Blütezeit und ist Grundstein für die spätere industrielle Entwicklung. Mechanische Uhrwerke werden zu ihrer Präzision gebracht. Es ist auch die Regierungszeit der Königin Viktoria in England (Viktorianische Zeit). Verschiedene frühere Kunststile werden im Historismus und Klassizismus wieder aufgegriffen und vermischt. Ab 1900 sind auch Elemente des Jugendstils prägend.

Der Spirit dieser Zeit und der Geschichten ist auch heute maßgeblich für das Genre, welches sich inzwischen nicht mehr auf die Literatur beschränkt, sondern zu einem vielschichtigen multimedialen und kulturellen Ensemble verzweigt hat. So findet man heute neben der Literatur auch Steampunk Musik, Festivals, Konzerte, Steampunk Kunst, Ausstellungen oder Computerspiele.

Was macht für Dich die Faszination aus?

Die Ästhetik des Genres fasziniert durch die Verbindung von alt bekanntem und neuen, der Kombination von Ungleichzeitigem. Steampunk bietet mir die Möglichkeit, meine Phantasie auszuleben, neue Objekte in altem Gewand zu erschaffen. Es entstehen Werke, die einzigartig und selten reproduzierbar sind. Die Kombination aus Handwerk, authentischen Materialien und Kreativität führt zu Arbeiten die sich abheben von der uniformen Massenproduktion der Neuzeit und den Betrachter die Möglichkeit geben, sich in seiner eigenen Phantasie zu verlieren…

Auch ist es ein Gegenpol zu allem, was einem in der heutigen Zeit sonst so im Alltag umgibt, das Pendant zu Schnellebigkeit, Massenproduktion und unserer Wegwerfgesellschaft.

Auf der CCW zeigst Du Deinen Teleprinter. Was ist das und was macht ihn für Dich besonders?

Der Printer ist ein reanimiertes Stück unserer frühen Industriekultur. Etwas, was einst ausschließlich analog funktionierte, wurde so umgebaut, dass es in der digitalen Welt von heute wieder nutzbar ist und einen ganz eigenen Charm versprüht. Teleprinter oder auch Fernschreiber, waren die Nachfolger der Telegrafietechnik und wurden am Telefonnetz betrieben. Zusammen mit dem Computer und der Webcam im Gehäuse einer alten Balgenkamera, fungiert er heute als Teil einer retrofuturistischen Workstation, die technisch dem Zeitgeist entspricht, optisch jedoch an das beginnende 20. Jahrhundert erinnert.

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Wie blickst Du als Steampunker auf die Themen Digitalisierung und Digitale Transformation?

Ziemlich kritisch. Bei allem technologischen Fortschritt scheinen wir uns immer mehr vom eigenen Wesen und dem Empfinden zu entfernen. Wir konsumieren nur noch und lassen uns von unzähligen medialen Einflüssen berieseln. Realität und Virtualität verschmelzen. Ein Sachverhalt, für den unser Organismus nicht gemacht ist. Die psychischen Probleme in unserer Gesellschaft werden explosionsartig steigen, die Menschen werden trotz virtueller Vernetzung immer einsamer, zwischenmenschliche Kontakte immer weniger. Der Mensch wird transparent und fremdbestimmt, der Bezug zu Natur und Umwelt wird absurd, die Gegensätze zwischen arm und reich immer drastischer. Das Handwerk wird aussterben, Geschäft sind Dienstleistung und Informationshandel.

Das sind düstere Perspektiven. Den Menschen nicht aus dem Fokus zu verlieren, liegt mir auch am Herzen. Den Umgang der Amischen mit Technologien, wie ich ihn in meinem persönlichen Nachklapp zum Kundentag 2017 erwähnt habe, stellt für mich einen bedenkenswerten Ansatz da. Das im Blogartikel erwähnte Zitat von Martin Heidegger stelle ich mal unkommentiert an das Ende dieses Interviews:

Am ärgsten sind wir jedoch der Technik ausgeliefert, wenn wir sie als etwas Neutrales betrachten; denn diese Vorstellung […] macht uns vollends blind gegen das Wesen der Technik.” (Martin Heidegger, aus “Die Frage nach der Technik”, in “Vorträge und Aufsätze”, 1954)

Alex, vielen Dank für das Interview! Ich freue mich schon auf die gemeinsame Zeit auf der CCW 2018 in Berlin!

Nachtrag:

Auf der CCW 2018 führte ich am Stand ein Künstlergespräch mit Alex Schlesier. Es ergänzt gut dieses vorab geführte Interview.

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Foto: Alex Schlesier

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