Ok, ich gebe es gleich zu: Ich komme aus der BWL und verstehe wenig von IT. Aber ich habe viel damit zu tun, wenn ich die Fachseite unserer Kunden berate. Und was ich da erlebe, hat mit konstruktiver Zusammenarbeit eher wenig Ähnlichkeit. Vor allem hat es – Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel – nichts mit innovativen IT-Konzepten zu tun, die das Unternehmen als Ganzes voranbringen würden. Eher mit Besitzstandswahrung und einer herrschaftlichen Attitüde gegenüber den internen Kunden.
Starker Tobak für jemanden, der wenig Ahnung hat? Wohl wahr und darum muss ich wohl erklären,warum ich den vor 20 Jahren geprägten Ausspruch “Banking is necessary, banks are not” von Bill Gates zum Banking auf die den Typus der IT-Abteilung übertrage.
Fangen wir mit der herrschaftlichen Attitüde an
Ob Bank, Energieversorger, Maschinenbau oder Medienkonzern: ohne IT können die Leistungen für die Kunden nicht erbracht werden. Dem entspricht ein hoher Stellenwert der internen IT in den Unternehmen. Sie ist meist auf “C-Level” angesiedelt, die Führungskraft hat also Vorstandsrang und entscheidet über strategische Weichenstellungen mit. Das ist auch richtig so. Die Schwierigkeiten, die ich meine, sind meist weiter unten in der Hierarchie angesiedelt. Die Mitarbeiter dort sind Experten in ihren Fachgebieten und beschäftigen sich mit Dingen, die einem normalen User wie mir ungefähr so klar sind wie Quantenphysik. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Kommunikation:
- Ich durfte schon erleben, dass die Ideen der Fachseite herablassend als “Wunschkonzert” bezeichnet und damit als ungerechtfertigt vom Tisch gewischt wurden.
- Die Entscheidung darüber, wann von der Fachseite begründete und auch genehmigte Anpassungen durchgeführt werden, liegt nicht beim fachseitigen Projektleiter, sondern bei der IT. Das Zauberwort heißt IT-Personentage und darüber wacht ein Dispatcher, der die Ressourcen nach IT internen Prioritäten zuteilt. Wer keine IT-Personentage ergattert, hat eben Pech gehabt und darf seinen Projektplan ändern.
- Der Kundenservice arbeitet seine Mitarbeiter mit hohem Aufwand auf Applikationen mit einer komplizierten Bedienerführung ein. Lösungen für das Problem existieren zwar, würden aber die Einführung und Betreuung einer zusätzlichen Technologie nach sich ziehen. Das wird von der IT mit Verweis auf die Kosten abgelehnt.
Ich möchte hier klarstellen: jede dieser Entscheidungen mag wohlbegründet sein. Und nicht alles, was sich der Kundenservice wünscht, ist sinnvoll und zu vertretbaren Kosten umsetzbar. Die von den Entscheidern der Fachseite schwer zu beurteilende Expertise der IT führt jedoch zu einem Machtgefälle, das sich bis in die Vorstandsebene fortsetzt. Solange hier nur Effizienz intern von einer Ecke in die andere geschoben wird, sei’s drum. Wenn aber die Endkunden unter Servicemängeln zu leiden beginnen oder agilere Wettbewerber mit innovativen Konzepten vorbeiziehen, wird’s gefährlich.
“Wo aber Gefahr ist…
…wächst das Rettende auch” wusste schon Friedrich Hölderlin. Und hier kommt jetzt die Cloud ins Spiel. Wer als Softwarehersteller was auf sich hält, bietet seine Anwendungen mittlerweile “as a Service” aus dem World Wide Web heraus an. Alles was der Anwender braucht, ist ein Internetbrowser und los geht’s.
Hier bekommt die Fachseite die Möglichkeit in die Hand, interessante Anwendungen “Plug&Play” auszuprobieren. Für überschaubare Kosten (abgerechnet wird in der Regel nach Nutzung, nicht nach Lizenzen) kann der eigenen Kundschaft z. B. Chat oder eine Community angeboten werden. Ein von der internen IT aufgesetztes großes und teures Projekt mit anschließendem Betriebsaufwand ist nicht nötig.
Neben Anwendungssoftware werden längst auch Plattformen und ganze Infrastrukturen “aaS” angeboten. Einige technikaffine Mitarbeiter auf der Fachseite genügen und schon läuft die IT den Entwicklungen im eigenen Haus hinterher statt die Marschrichtung und -geschwindigkeit vorzugeben.
Wird damit die IT-Abteilung überflüssig?
Das ist eher unwahrscheinlich, denn eine “IT-Schattenwirtschaft” , in der sich jeder Abteilungsleiter seine Anwendungen aus externen Quellen zusammenklickt, kann nicht im Sinne des Unternehmens sein. Zumal sich beim Einsatz von Cloud-Anwendungen die Probleme derzeit noch höher türmen als der Kölner Dom. Wenig ausgeprägte Datensicherheit, eingeschränkte Funktionalität, Abhängigkeit von der Verbindungsqualität im Netz und die fehlende Integration in die eigene IT-Infrastruktur bremsen den Spaß nachhaltig.
Auftritt: der Chief-Digital-Officer (CDO)
Die IT wird also weiterhin eine wichtige Rolle spielen, aber die Rolle wird sich wandeln (müssen) vom “Serverpark-Herrscher” zum “Cloud-Moderator”. Ausgehend von den USA – woher sonst? – etabliert sich seit etwa zwei Jahren ein neuer Typ von Führungskraft, der “Chief Digital Officer”, abgekürzt CDO. Der CDO ersetzt den CIO nicht, sondern seine Aufgabe ist es, die Anpassung des Unternehmens an ein sich veränderndes digitales Umfeld zu gestalten. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit der Integration von Web Services, Social Media- und mobilen Technologien ins Unternehmen. Dabei wirkt er als Scharnier zwischen Fachseite, IT, Marketing und Business Intelligence und nimmt Einfluss auf die Kundenservice Strategie. Dieser Einfluss wird sich auf das Verhältnis von Fachseite und IT auch in anderen Feldern auswirken, da bin ich sicher.
Mein Fazit ist heute kurz
Die Fachseite wird ihren Anteil an der Gestaltung ihres Aufgabenbereichs zurück erobern – zum Wohle der Endkunden. IT is more necessary than ever, but IT responsibility will change.
Frage: Wie sind Ihre Erfahrungen in diesem Gebiet, welche Entwicklungen sehen Sie?
Leave a Reply