Das Navi ist kaputt. Sie fahren eine Straße entlang und wundern sich: die Umgebung passt gar nicht mehr zur Wegbeschreibung. Sie entscheiden sich nicht sofort, zu wenden. So ist es immer! Es braucht immer eine Phase des Unbehagens, bis Fehler zur Gewissheit werden und wir Konsequenzen ziehen.
Auf der diesjährigen CCW waren mehrere Dinge unbehaglich.
Unbehagen #1: Bunte Farbwelten & Buzzwords statt Inhalte
Schon immer war es schwierig, sich als Anbieter auf Messen wie der CCW zu differenzieren. Dieses Jahr war allerdings öfter und deutlicher als in vergangenen Jahren von Besuchern zu hören, wie wenig unterscheidbar das Angebot der Anbieter ist. AI, Messaging und Bots waren nahezu überall geboten. In Orange oder Blau? Egal.
Wir haben uns dieses Jahr dazu entschieden, gar nicht erst zu versuchen, die Wände mit Inhalten zu pflastern. Es verwirrt ja eh nur :). Der Dialog mit den Menschen stand für uns im Vordergrund (und guter Café). Auch als Aussteller wünsche ich mir wieder mehr Unterscheidbarkeit, Reibung, inhaltlichen Diskurs. Wenn alle das Gleiche erzählen und Ähnliches bieten, dann bleibt der günstigere Preis als schlagendes Argument! Das kann es doch nicht sein, oder? Ich bin diesbezüglich vom Markt enttäuscht (“underwhelmed” finde ich ein wunderbares englisches Wort dafür). Ist es wirklich so einheitlich klar, was jetzt richtig und gut ist? Wo die Reise mit Kundenservice und Customer-Experience hingeht?
Unbehagen #2: Alle da und auch nicht
Letztes Jahr schrieb Rainer Kolm vom Klassentreffen CCW, von der überraschungsarmen Wiederkehr des immer gleichen. Simone Fojut vom Fachmagazin CallCenterProfi erzählte mir von neuen Abonnenten aus B2B-Industrien wie zum Beispiel der Metallverarbeitung. Auch die bieten Service! Nur unter anderen Rahmenbedingungen. Ganze Branchen (meistens KMU) sind schlicht abwesend auf der CCW. Als Dozent im Management-Circle-Seminar “Digitaler Kundenservice” fand ich gerade die Beispiele von Teilnehmern aus dem gemischten B2B- und B2C-Umfeld, wie zum Beispiel Fensterhersteller, hochinteressant. Auch dort findet Customer-Experience und Digitalisierung statt! Viele davon scheinen die CCW gar nicht zu kennen oder als nicht relevant anzusehen.
Unbehagen #3: Falscher Technologiefokus
Die Branche ist von technologischen Entwicklungen (an-)getrieben und verharrt zugleich in alten Vorstellungen. Mein Favorit: ein Vertriebsmitarbeiter wechselt von einem Anbieter eher traditioneller Callcentertechnologie zu dem Hersteller einer Chat- und Messaging-Lösung (“Conversational Commerce”). Was wird er am häufigsten von ehemaligen Kollegen gefragt? Wann sie denn endlich auch Telefonie beherrschen… Oder: neue Anbieter wie Twilio werden mit alten Maßstäben bewertet und dadurch leicht unterschätzt (“Ist doch nur so eine Art Baukasten…”). Mir fehlt die Offenheit, Neues mit frischen Blick zu betrachten.
Unbehagen #4: Die Zitrone wird weiterhin ausgequetscht
Offiziell wird über mehr Menschlichkeit gesprochen. Die üblichen Kennzahlen im Kundenservice fesseln allerdings weiterhin sehr konkret die Mitarbeiter und sorgen für unwürdige Arbeitsverhältnisse – in einem Arbeitsmarkt, der sich bereits verändert und sich noch mehr verändern wird. Diese Fragestellung liegt uns am Herzen. Stefan Grünzner, Geschäftsführer der infinIT.cx GmbH, machte das in seinen Vorträgen im Messeforum deutlich.”Technologie soll Menschen befähigen, seine Potentiale optimal zu entfalten“, so Grünzner. Anstatt sie zu ersetzen, sollen Menschen Freiräume für kreative Fähigkeiten verschafft werden.
Erst wenn wir aufhören, ausschließlich das kurze, fallabschließende Telefonat anzustreben, bieten sich neue Perspektiven. Es kann sich sehr wohl auszahlen, 27 statt 7 Minuten mit einem Kunden zu telefonieren. Aber nur, wenn wir die Customer-Experience entlang einer längeren Customer-Journey in einem größeren Kontext betrachten und auswerten. Stefan Kolle von unserem neuen Partner Futurelab, hatte dazu einiges im kleinen Kreis in seinem CXklusiv-Vortrag “Contactcenter = Profitcenter?” zu erzählen.
Unbehagen #5: Verlustgerüchte
Mehrere namhafte Firmen sind laut informellen Gesprächen in Schwierigkeiten. Aber sind wir mal ehrlich: das war zu erwarten. Vermutlich ist das erst der Anfang! Der Wechsel von aufwändigen On-Premise-Implementierungen zu schlankeren Lösungen aus der Public Cloud steht erst am Anfang. Geschäfts-, Vertriebs- und Liefermodelle befinden sich im Wandel. Es ist längst nicht klar, wo sich das alles einpendelt und wer dann noch dabei ist. Neue Player wir Twilio und Amazon Connect sind bereits da, und verändern den Markt.
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Bildnachweis: unsplash
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