Die Einführung von konfektionierter Kleidung im 19. Jahrhundert in Deutschland ersetzte nach und nach die bis dahin übliche, entweder in Eigenleistung oder von Handwerkern hergestellte Kleidung. Trotzdem gibt es noch Maßschneidereien.
Im ersten Teil dieser kleinen Serie über Live-Chat habe ich ein Projektbeispiel geschildert, in dem eine passgenau Lösung als Teil der Contactcenter-Plattform des Kunden implementiert wurde. Dem wird in diesem Beitrag ein Projektbeispiel gegenüber gestellt werden, das wir kürzlich aus der Cloud, also ‘von der Stange’, für einen Kunden realisiert haben.
Und, passt es dann auch?
Das zweite Projektbeispiel
Bei diesem Kunden haben wir LiveEngage 2.0 des Software-as-a-Service-Anbieters (SaaS) LivePerson eingeführt. Zuvor nutzte das Unternehmen bereits eine Cloud-Lösung, war aber nicht mehr zufrieden mit deren Funktionsumfang und Integrationsmöglichkeiten in die bestehende Contactcenter-Infrastruktur.
Ein Knackpunkt war die kurze Zeit, die wir zur Verfügung hatten, das System einzuführen, nämlich gerade mal 8 Wochen. Tatsächlich waren wir bereits nach 7 Wochen fertig, einige Tage vor dem geplanten Termin! Dieser schnelle Go-to-Market ist dem – ohne weitere Installation vorhandenen – Funktionsumfang der SaaS-Lösung zu verdanken.
Im ersten Schritt haben wir Live-Chat im Privatkundensegment für Sales und Service in Deutschland implementiert. Nach dem Go-Live kamen sukzessive das Web-Kundenportal und ein Teil des Geschäftskundensegments hinzu. Weitere europäische Länder und die Nutzung von noch mehr Funktionen der Software sind in Planung.
Was bietet die Cloud-Lösung?
- Die Agenten arbeiten mit einer Web-basierten Anwendung, eine kontinuierliche Aufstockung der Mitarbeiter lässt sich sehr einfach bewerkstelligen.
- Der Fokus liegt auf der Zielgruppen-spezifischen Ansprache über ‚Kampagnen‘ und Geschäftsregeln. Die Kundenansprache erfolgt sehr selektiv und proaktiv gemäß der Geschäftsziele und des Kundenverhaltens.
- Auf bestimmten Webseiten mit konkreten Use-Cases kann der Besucher selber einen Chat initiieren, ohne dazu regelbasiert eingeladen zu werden, ein sogenannter reaktiver Chat.
- Zusätzlich kommt Predictive Intelligent Targeting (PIT ) zum Einsatz, das selbstlernend die werthaltigen Kontakte identifiziert und Live-Chat proaktiv anbietet.
- Chat-Fenster, Einladungen und Kundenbefragungen können individuell gestaltet warden.
- Das detaillierte Reporting hilft Einladungsdesign und -Text, Regeln und Mitarbeitereinsatz kontinuierlich zu optimieren.
- Es muss nicht in Hardware oder den laufenden Betrieb investiert warden.
- Die Konfiguration ist selbsterklärend, vertiefte Programmierkenntnisse sind zur Implementierung nicht notwendig.
- Trotzdem können natürlich technische Schnittstellen genutzt werden, um z. B. mit einer Routing-Plattform, der Mitarbeiter-Einsatzplanung oder externem Reporting zu integrieren.
Insofern war der vorliegende Fall mehr ein agiles Business-Projekt als ein typisches IT-Projekt.
Höre ich ein ABER?
Das wäre nachvollziehbar, denn natürlich hat eine vollständig an die Kundenbedürfnisse angepasste Lösung, wie im ersten Teil geschildert, gewisse Vorteile. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Produkt “von der Stange” und ich muss als Kunde damit leben. So wie ich damit leben muss, wenn die Ärmel eines im Versandhandel bestellten Kleidungsstücks zu lang sind. Take it or leave it?
- Es handelt sich um eine Standalone-Lösung, die allerdings bei Bedarf z. B. in die Contactcenter-Plattform integriert werden kann (z. B. für eine übergreifende Kontakthistorie).
- Live-Chat wird deswegen von einem darauf spezialisierten Team bearbeitet.
- Die KPI’s der Standard-Berichte müssen aufbereitet werden, um sie ins übergreifende Reporting überführen zu können.
- Über Änderungen und Weiterentwicklungen der SaaS-Lösung entscheidet das Produktmanagement des Anbieters.
- Die Lösung wird extern gehostet, daher sind die datenschutzrechtlichen Konsequenzen mit der eigenen IT und der Rechtsabteilung zu klären.
Kann es das wirklich sein?
Ja, das kann es. Sowohl Zeitaufwand als auch Budget liegen bei einem Bruchteil der Größenordnungen, die für eine vollständig nach Kundenanforderungen erstellte Lösung aufgerufen werden. Die Cloud-Lösung ist skalierbar und kennt theoretisch keine Kapazitätsgrenzen. Trotzdem lässt sie sich im Rahmen eines IT-Projekts in die vorhandene Contactcenter-Plattform integrieren, wenn das gewünscht wird – das wäre dann eine Art ‘Maßkonfektion’ im zweiten Schritt.
Fazit
Ob individuelle Lösung oder ein fertiges Cloud-Produkt – es kommt darauf an, was sich der Kunde leisten kann und will und welche IT-Strategie er verfolgt. Ein großer Vorteil der Cloud-Lösung für Live-Chat liegt im schnellen Time-to-Market. Anpassungen können agil im laufenden Betrieb vorgenommen werden.
Es sind zwei verschiedene Lösungsansätze, die jeder für sich ihre Berechtigung haben und unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen: Langfristig geplant und stark individualisiert der eine. Schnell, mit wenig Aufwand implementiert, der andere. Wir haben Kunden, die beides machen.
Ich freue mich über Ihre Kommentare und Erfahrungsberichte.
Foto: unsplash
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