Contactcenter-Basics: Kontakthistorie statt Unternehmensdemenz

Kontakthistorie statt UnternehmensdemenzIch habe Ihnen doch vor einer Woche eine E-Mail geschrieben. Da stand doch alles drin.

– so ein typisch genervter Kunde beim Anruf an der Hotline. Unternehmensdemenz ist weit verbreitet, wenn KPIs wie First-Call-Resolution (FCR) und Bearbeitungszeit den Takt im Kundenservice vorgeben. Die vom Kunden in liebevoller Handarbeit verfasste E-Mail landet beim Dienstleister, bei dem ein Komparatistik-Student im 23. Semester wahllos eine Standard-Antwort aus der Knowledge-Base klaubt.

Doch es gibt ein Gegenmittel gegen Unternehmensdemenz: die Kontakthistorie. Eine Fortsetzung unserer Serie Contactcenter-Basics.

Erfolgreiche Kundenkommunikation orientiert sich auch im 21. Jahrhundert gerne am Beispiel des kleinen Ladengeschäfts aus den 50er-Jahren, das einer gewissen Tante Emma gehörte. Diese besaß ein bemerkenswertes Kurz- und Langzeitgedächtnis, in dem sowohl der soziologische Hintergrund als auch Vorlieben und Gewohnheiten der Stammkundschaft akribisch festgehalten waren. Die Kontakthistorie ist gewissermaßen das Abbild des Großhirns von Tante Emma: Jeder Mitarbeiter des Kundenservice kann sich einen Überblick über den Kunden und seine letzten Interaktionen verschaffen, E-Mails und Briefe lesen, Chats verfolgen, ja sogar eine Aufzeichnung eines Telefongesprächs oder einer Videointeraktion nachverfolgen.

Die Kontakthistorie enthält Daten über den Kontakt (Name, Adresse, Telefonnummer, Email) und dessen Interaktionen (Anrufe, Emails, Tweets, Briefe, Besuche in der Filiale). Der Zugriff auf Inhalt der Kommunikation (Sprachaufzeichnungen, E-Mails sowie Antworten samt Anhängen, Dokumente, Chat-Protokolle) über die Kontakthistorie ist unter Einhaltung von Zugangsbeschränkungen möglich.

Das Ganze ist natürlich kein Selbstzweck, in der knapp bemessenen Zeit, die dem Berater die Vorgaben zur Kundenbehandlung lassen, wird der Zugriff auf die Kontakthistorie eher die Ausnahme bleiben, doch gibt es Fälle, in denen sie weiterhilft:

  • Der Kunde beschwert sich über einen Kollegen
  • Der Kunde nimmt Bezug auf eine der letzten Interaktionen
  • Der Kunde ist mit der Bearbeitung des aktuellen Falles unzufrieden
  • Der Kunde hat eine ihm zugegangene Korrespondenz verloren
  • Der Kunde reagiert auf eine personalisierte Kampagne

Neben diesen offensichtlichen Fällen, in denen die Kontakthistorie bei der Bearbeitung herangezogen werden kann, kann die Historie auch als Quelle von Reports oder zur Generierung von Kampagnen dienen. Standard-Reports geben nämlich oft keine Auskunft auf Fragen wie:

  • Welche Kunden haben mehrfach über verschiedene Kanäle versucht, ihr Anliegen zu lösen?
  • Gibt es Mustern in der Nutzung unterschiedlicher Kanäle in der Customer-Journey?
  • Auf welchen Kanälen ist ein Kunde zu erreichen?
  • Welche Marketingaktion hat ihn zu einer Reaktion veranlasst?

Nun kommt der schwierige Teil: Wie kann man die Daten der Kontakthistorie möglichst automatisiert erzeugen und wo ist sie innerhalb des Labyrinths an IT-Applikationen anzusiedeln? Hier sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Welche Interaktionen möchte ich in der Kontakthistorie erfassen? Diese Liste kann lang sein: Anrufe, E-Mail, Fax, SMS, Chat, Social-Media-Aktivitäten sind inzwischen Kanäle, die integriert in allen marktüblichen Contactcenter-Plattformen mehr oder weniger automatisiert zur Verfügung stehen. Doch wie sieht es mit Rechnungen aus, die an den Kunden geschickt werden, Reaktionen auf Marketingkampagnen, ein Whitepaper, das sich der Kunde heruntergeladen hat, TV-Spots? Jede Interaktion, die ich erfassen will, muss auch vom System, das diese erzeugt oder an der sie eingeht, in der Kontakthistorie angelegt werden.
  2. Können alle Systeme einfache Schnittstellen zu der Kontakthistorie nutzen? Ist es möglich darauf in der Verteilung, am Agent-Desktop, im CRM-System, in der Business-Intelligence und im Online-Monitoring zuzugreifen?
  3. Gibt es organisatorische Grenzen oder Prozesse, die einen ungehinderten Datenaustausch im Unternehmen erschweren? Können diese überwunden werden – und wie?
  4. Und nicht zuletzt: Welche datenschutzrechtlichen Vorgaben bestehen hinsichtlich des Zugriffs auf Kundendaten ?
  5. Gibt es lizenzrechtliche Probleme, wenn eine Vielzahl von Mitarbeitern der Organisation auf die Kontakthistorie zugreifen? Ein Beispiel aus der Praxis: Um Lizenzkosten einzusparen, haben z. B. ausschließlich Marketing und Vertrieb Zugriff auf ein bestimmtes CRM-System? Dann ist es sicherlich keine Option, dieses zur Ablage der Kundenhistorie zu verwenden.
  6. Die Darstellung der Kontakthistorie beim Agent sollte einfach zugänglich sein, ohne ihn von seiner eigentlichen Arbeit abzulenken.

Ein nicht unerhebliches Problem ist das Management der Kunden-Identitäten. Es erschließt sich nicht sofort, dass “01741234567“, “Harald Weimer, Schmidstr. 35, 36721 Feldhausen” und “Schnappi1593” ein und derselbe Kunde ist. Im Zeitalter des Mit-Facebook-anmelden-Buttons ist Identitätsmanagement auf einer der NSA ähnlichen Stufe angekommen – auch für mittelständische Unternehmen.

Allen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist schwierig. Daher werden Unternehmen in der Regel den bestmöglichen Kompromiss finden müssen. Der brightONE-Berater ihres Vertrauens berät sie dabei gerne.

Foto: striatic (Flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

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