Zwischen Bots und Luftbefeuchtern – die CCW ist nicht tot zu kriegen #CCW2018

Zwischen Bots und Luftbefeuchtern – die CCW ist nicht tot zu kriegen #CCW2018

CCW 2018 – keinen Bock auf Klassentreffen” titelte Rainer Kolm im Blog der i-Service-Initiative vor wenigen Wochen und ernte teils erboste Kommentare. Das Stelldichein der Callcenter-Branche feierte sein 20. Jubiläum im Berliner Estrel-Hotelkomplex. Lag es an den eisigen Temperaturen oder der nicht immer einladenden Umgebung im Neuköllner Industriegebiet? Außer den Rauchern verbrachten viele die drei Tage praktisch ununterbrochen auf und um die Messe. Wie so oft pendelte auch dieses Jahr die Bandbreite der Themen zwischen digitaler Innovation und “same procedure as every year”, zwischen Bots und Luftbefeuchtern.

Überhaupt die Bots…

Waren vor einem Jahr die ersten Chatbots auf der Messe aufgetaucht, wurde die CCW 2018 vom Bot-Hype geradezu überschwemmt. Hätte man auf Wikipedia eine “Liste der CCW-Aussteller, die keinen Bot zeigen” aufstellen wollen, wäre man schnell fertig gewesen. Doch so schwer es auch fallen mag, hier die Spreu vom Weizen zu trennen, waren in den Vorträgen der Expertenforen der Messe schon die ersten Erkenntnisse derer zu erhaschen, die Freud und Leid ihrer Erfahrungen mit den Bots teilten. Stefan Seyfahrt, Direktor Customer Service bei Babbel, Anbieter eine Sprachlern-App, stellte dar, wie sich der Einsatz von künstlich-intelligent-unterstützten Bots auf die Agents im Contactcenter auswirkte:  Durch die höhere Komplexität der verbliebenen Kundenanfragen stiegen die Lösungszeiten und die Zufriedenheit der Mitarbeiter nahm ab, da einfache Erfolgserlebnisse im Arbeitsalltag fehlten. Sind dies schon die  Vorboten der KI-Revolution auf dem Arbeitsmarkt? Babbel jedenfalls griff ein, in dem die verbliebenen Arbeitspakete gerechter verteilt wurden.

Heinrich Welter von Genesys holte in seinem Vortrag zum Thema ” Kundenservice 2025″ noch weiter aus. In einem unterhaltsamen Vortrag zeigte er die Symbiose aus Bots und Virtual Reality, in dem er z. B. eine Art Visitenkarte nutzte, um auf dieser plastische VR-Landschaften wachsen zu lassen oder über ein virtuelles Bullauge aus dem Wohnzimmer im Gelsenkirchner Barock in eine dreidimensionale Welt einer Luxus-Kreuzfahrt ausstieg.

Topstar der Vortragsreihe auf dem parallel stattfindenden Kongress war Sascha Lobo, der sich – wie sollte es auch anders sein – die Digitalisierung an der Kundenschnittstelle zum Thema nahm.

Steampunk – zurück in die Zukunft

Guided Tour_CCW 2018 Steampunk Teleprinter

Hatte vor wenigen Jahren noch Interactive Intelligence den deLoran aus “Zurück in die Zukunft” in die Messehalle geholt, zeigten wir am infinIT.cx Stand einen verwandten aber lebendigeren Ansatz: vergangene Technik wie Fernschreiber, Lochkarte und Wähltelefon kombiniert Steampunk Alex Schlesier mit der digitalen Welt von morgen. Die Zeit Jules Vernes mit dem Motto “Alles, was ein Mensch sich vorzustellen vermag, werden andere Menschen verwirklichen” wurde als Retro-Utopie wieder lebendig und zog beim computergesteuerten Rattern des über 80 Jahre alten Fernschreibers viele Interessenten an den Stand.

Wir zeigten neben einem einfach auszurollenden infinIT.cx Bot-Framework mit Anbindung von Omnikanal und Künstlicher Intelligenz über Watson (im Demo-Forum war die Programmierung live zu sehen) Demos mit LivePerson, Genesys und Cyara. Das Interesse der Besucher am Stand war weit gespannt von der Omnikanal-Lösung bis zu Fragen über KI, mit der einige schon durchaus ernüchternde Erfahrungen gemacht hatten.

Neues aus der Anbieterszene

Der Kenner macht den Messe-Rundgang am letzten Tag, wo sich neben den Resten des Fachpublikums hauptsächlich Callcenter-Auszubildende und Schulklassen um die letzten Giveaways anstellen. Dieses Jahr fiel mein Rundgang etwas kurz aus, daher auch nur ein kleiner Einblick in die diesjährige CCW:

Genesys hatte sich wieder direkt am Eingang in Halle 1 plaziert, mit den drei Produktlinien PureCloud, PureConnect und PureEngage konnte man den Kunden ein breites Spektrum zeigen. Das Bekenntnis zur Weiterentwicklung aller drei Produktlinien scheint eindeutig zu sein. Highlight der Ausstellung war die KATE-Plattform, die Bots, Messaging und KI in einer Architektur bündelt. Am Rande der CCW wurde bekannt, dass Genesys die irische Altocloud, einen Anbieter von Sales Analytics, übernommen hat.

ITyX hat mit ThinkOwl sein gesamtes Produktspektrum rund um E-Mail-Management, Workload, Content-Analytics und KI neu strukturiert. Die Orientierung Richtung KI zeigte sich deutlich auch bei anderen etablierten Non-Voice-Anbietern wie Sematell und Novomind. Wer Kundenservice zentral über Salesforce abwickelt, kommt an einem Blick auf NewVoiceMedia nicht vorbei, die sich mit einem smarten Client nahtlos in Oberfläche und Logik von Salesforce einfügen. Die Schweizer Luware zeigte wieder einmal ihr Voice-, Chat- und Video-Contactcenter auf der Basis von Skype for Business und räumte für ihre Supervisor-Lösung via Microsoft Hololens den CAT Award im Bereich Digitalisierung ab. Cyara demonstrierte automatisiertes Testen von Kundenerlebnissen auf dem infinIT.cx Stand. Pindrop präsentierte seine Lösung zur Fraud Detection, um Betrügern beim Anruf keine Chance zu geben. Kano4U ist für alle interessant, die sich dem Thema Omnikanal per Customer Journey Mapping annähern wollen.

Amazon hat die CCW noch nicht für sich entdeckt, dennoch war die Amazon Connect als Gesprächsthema allgegenwärtig. Vielleicht debütiert der Gigant aus Seattle ja auf der CCW 2019?

Trends und Hypes

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde, allerdings wird schnell klar, dass jeder etwas anderes darunter versteht. Das Overselling der vergangenen Jahre hat für eine Welle der Frustrationen erzeugt, KI-Projekte im siebenstelligen Bereich mit zweifelhaftem ROI sind keine Ausnahme.

Das Thema Cloud ist inzwischen kein Glaubenskrieg mehr, die Datacenter werden dank Brexit bei vielen Anbietern nach Zentral-Europa verlegt, wodurch man auch in Bezug auf das Top-Thema Datenschutzgrundverordnung viel gewonnen hat. Insofern ist Cloud oder On-Premise heute eher eine taktische Entscheidung, hybride IT-Systeme eher die Regel als die Ausnahme.

Die Messe hatte mit 270 Ausstellern zumindest subjektiv leicht verloren, der Ansturm der Besucher schien aber ungebrochen, der traditionell schwache Donnerstag tat dem keinen Abbruch.

Rainer Kolms Fazit kam schon vor der Messe: “Nach 20 Jahren CCW sollte es (…) schon längst keine Kosten und nur noch zufriedene Kunden geben“. Ich würde mal sagen: Wir arbeiten daran…

Wie ist es Ihnen ergangen, was ist Ihnen aufgefallen? Ich freue mich über Ihre Kommentare.

Titelfoto: gratisography (bearbeitet)
Foto CCW: Brigitte Kaluza

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