Kampf der Talente: Wie Unternehmen und manche Mitarbeiter die digitale Transformation überstehen

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Put em up (Dave Meier, picography, bearbeitet)

Roboter und kognitive Systeme werden in naher Zukunft beginnen, massiv Jobs zu vernichten. Das ist das Naturgesetz des effizienzgetriebenen Kapitalismus. Diese digitale Transformation werden nur Talente überstehen. Welche Talente? Und was sollten Unternehmen und deren Mitarbeiter bereits heute tun, um zu diesen zukünftig gefragten Talenten zu gehören?

Als ich anfing, mich mit kognitiven Computer zu beschäftigen, wurde mir schnell klar, was auf uns zu rollen wird. Es ist mehr als nur eine weitere technische Innovation, etwas das nur wieder etwas besser ist. Es ist komplett anders. Bereits in dem Artikel “Wir müssen lernen, den Maschinen zu vertrauen – Cognitive Computing fordert das mechanistische Weltbild heraus” habe ich gegen Ende einen schnellen Blick in diese, mir auch selbst angstmachende Zukunft gewagt, und mich gleich wieder abgewendet.

Jetzt gilt es hinzugucken.

Es begann gestern mit einer 140-Zeichen-Diskussion bei Twitter, ausgelöst vom Artikel “Digitaler Wandel: Welche Jobs sind gefährdet?” im Blog der i-Service-Initiative. Es war die Frage nach der Zukunft der Arbeit. Zunächst irritierte mich die Frage, da mir der Artikel im Grunde die Antwort zu geben schien. Die blauen, d. h. erklärbaren und wiederkehrenden Tätigkeiten seien bedroht, die roten, talentorientierten nicht:

“Rot ist talentorientiert, erfordert Kreativität und menschliche Problemlösungskompetenz. Überall dort, wo das Fachwissen einzelner einen aktiven Wertbeitrag für Kunden produziert, ist dieser Beitrag nicht ohne weiteres durch Künstliche Intelligenz reproduzierbar. Es fehlt die ausreichend homogene Lernmenge.”

Was nicht erklärt wird: Was macht eigentlich Kreativität aus, was bedeutet menschliche Problemlösungskompetenz? Und es greift mir zu kurz, wenn es nur bezogen auf den Einzelnen betrachtet wird. Andreas Klug weißt in seinem lesenswerten Whitepaper “Erfolgreich im digitalen Wandel” auf mögliche Ansätze für Serviceunternehmen hin. Die Begriffe Kreativität und Menschlichkeit tauchen allerdings nicht auf. Aber genau da gehören sie hin.

Denn das Problem ist größer.

Es ist leicht mit dem Finger drauf zu zeigen und dann zu sagen “tut was”. Aber: was und wie?

Kreative Unternehmen

Das K-Wort ist leider vollkommen überstrapaziert. Eine kreative, künstlerische und damit schöpferische Herangehensweise verstehe ich im Kern als das Vermögen, scheitern zu können und daraus zu lernen. Sie ist das vollkommene Gegenteil von Management (=Verwaltung).

Die Artikel meines Kollegen Sven Körber über das Cynefin-Framework weisen den Weg. Es geht um Methodenkompetenz, um neue Sichtweisen, um Ausprobieren, um Spiel! Es geht darum, wie Unternehmen in einer komplexen Welt überleben. Management, so wie die meisten es kennen, bedeutet da den sicheren Tod.

Menschliche Unternehmen

Wenn die Effizienz drückt, müssen unangenehme Entscheidungen gefällt werden. In der radikalsten Form besteht ein Unternehmen dann nur noch aus Marketing, Vertrieb, Robotern, kognitiven Systemen und ein paar Dienstleistern, die das unvermeidlich Manuelle tun –  unter Kostendruck.

Daraus kann die Notwendigkeit eines digitalen Humanismus abgeleitet werden. Das Gartner-Manifest des digitalen Humanisten habe ich in diesem Artikel um folgenden Punkt erweitert:

Organisationen bestehen aus Menschen
Digitale Technologien können Menschen funktional ersetzen, aber nicht in Bezug auf deren Empathie, Engagement und Kreativität. Sie helfen die Arbeitsplatzqualität zu verbessern und stärken den Mitarbeiter in seinen menschlichen Qualitäten.

Wofür werden digitale oder kognitive Technologien eingesetzt? Sollen Menschen als Kostenfaktor “eliminiert” oder die Arbeitsplatzqualität verbessert werden? Es ist eine Frage der Balance. Durch den globalisierten Konkurrenzdruck müssen Unternehmen sich einen “digitalen Humanismus” auch leisten können.

Kreative Mitarbeiter

Welche Talente benötigen diese, den darwinschen Selektionsprozess überlebenden, Individuen?

Es sind Menschen, die mit Unsicherheit und Komplexität umgehen können, die Standardabläufe eigenmächtig durchbrechen. Kurz: Querdenker (das Q-Wort!). Sie sind immer dann gefragt, wenn etwas aus der Reihe tanzt und es keine offensichtliche Lösung gibt. Eher Werbetexter als Maschinen-Journalist.

Dieser neue Mitarbeiter muss Möglichkeiten und Grenzen von kognitiven Systemen verstehen können. Er profitiert von den Möglichkeiten. Kennt er die Grenzen dieser Systeme, und die wird es auf absehbare Zeit geben, vermeidet er kleine oder auch größere Katastrophen (je nach Arbeitsfeld).

Aus der Sicht der Macher der Systeme gilt das gleiche. Um diese neuen Robotern oder kognitiv befähigten Systemen weiterentwickeln und vermarkten zu können, muss deren Funktionsweise verstanden werden. Am besten sollte man sofort diesen Kurs über Machine-Learning belegen.

Kein Rechner wird neue Einsatzfelder dieser Technologien ermitteln können. Das ist eine kreative, menschliche Leistung.

Menschliche Mitarbeiter

Pflegeroboter werden zum Beispiel keine menschliche Sterbebegleitung ersetzen können. Die Pflege ist sicherlich der Schlüsselbereich für menschliche Mitarbeiter. Nur muss Mensch sich das auch leisten können.

Al Gore geht in seinem letzten Buch davon aus, dass bei denjenigen, die vom digitalen Wandel profitiert haben werden, menschlicher, persönlicher Service hoch im Kurs stehen wird. Vermutlich werden auch nur diese Kreise sich die lebenserleichternden, schlauen Gadgets für Zuhause leisten können.

Der Rest kämpft ums Überleben.

Es wird vermutlich weiterhin Arbeit geben, die eigentlich von Maschinen erledigt werden könnte und trotzdem von Menschen durchgeführt wird. Wenn die menschliche Arbeitskraft noch günstiger als die der Maschinen zu bekommen ist. Für diese Arbeiter wird es am Ende ihres Lebens vermutlich nur für einen Sterbehilferoboter reichen. Dieser wird letzte, tröstende Texte vorlesen und die Toten anschließend automatisch “entsorgen”. Die Schlucht zwischen Arm und Reich wird noch größer werden.

Und schon sind wir in der politischen Dimension des Problems angekommen.

Menschliche Politik

Die Sterne stehen nicht gut, egal ob ich die deutsche Arbeitsmarktpolitik oder die weltpolitische Dimension betrachte. Ohne eine wirklich soziale Welt-Marktwirtschaft, die diesen Namen auch verdient, wird es zahlreiche Verlierer der Digitalen Transformation geben. Wer keine Arbeit hat wird ausgegrenzt, er hat sich den neuen Arbeitsmarktbedingungen nicht genügend angepasst. Er hat nicht verstanden, wie sehr seine Freiheit darin besteht, sich den neoliberalen Marktbedingungen zu unterwerfen. Er hat seine menschlichen oder kreativen Fähigkeiten nicht genügend optimiert.

Sozialpolitik ist durch Bildungspolitik ersetzt worden.

Es droht weniger Arbeit für alle zu geben, also auch mehr Ausgrenzung. Vielleicht entsteht eine Parallelgesellschaft, in der selbstversorgt gelebt werden muss. Das ist keine Erfindung von mir, sondern ein mögliches Szenario von Al Gore und anderen Zukunftsforschern. Mit den eigenen Händen anbauen, verarbeiten, herstellen und reparieren können, sind also (je nach Perspektive) durchaus auch “Talente”, die in Zukunft wichtiger werden könnten.

Die Frage nach den richtigen Talenten ist also mitnichten eine, die nur Unternehmen bewegen sollte. Sie betrifft uns alle.

Bildnachweis: picography (bearbeitet)

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