Stellt halt die richtigen Fragen

Stellt halt die richtigen Fragen

Wir alle haben mit verbesserungsfähigen Ergebnissen von Ausschreibungsprozessen zu tun – als Anbieter, als Kunde und als Endkunde. Aktuelles Beispiel: die Deutsche Bahn AG baut eine neue App und alle müssen sich jetzt neu einloggen – hätte man das nicht eleganter lösen können? War halt nicht wichtig genug oder zu teuer im Projekt – dass jetzt geschätzt 20+ Millionen Bahnkunden nachdenken müssen, im Passwortmanager nachschauen müssen (oder wie ich ein Passwort-Reset machen) kostet die Bahn ja nix.

Für mich gibt es gute und schlechte Ausschreibungen. Als Teil des erweiterten Presales-Team macht es mir mehr Spaß, wenn die richtigen, knackigen Fragen gestellt werden, der Kunde seinen Schmerz und seine Zielsetzung teilt und nicht nur Funktionen abfragt. Letzten Monat hatten wir da ein besonderes Schmankerl:

Der Kunde hat eingangs die Ausgangssituation, Mengengerüst, Herausforderungen und Zielsetzung beschrieben. Nach den „natürlich“ absolut notwendigen inhaltlichen Pflichtfragen rund um Funktionalität, Datenschutz, Betrieb etc. wurde uns Anbietern abschließend explizit die Chance zur “Kür” gegeben:

Was halten Sie von unseren Überlegungen? Was würden Sie anders machen? Wie schätzen Sie mögliche Effizienzsteigerung und Kostensenkung ein? 

Eine absolute Steilvorlage die wir sehr gerne angenommen haben! In diesem Fall haben wir den Kunden vor überzogenen Erwartungen gewarnt, für die notwendigen Voraussetzungen Richtung Governance sensibilisiert und unsere alte Binse (die trotzdem stimmt) “Customer Experience ist ein Marathon und kein Sprint” mit konkreten Vorschlägen für ein Vorgehens- und Stufenmodell hinterlegt.

Der Kunde hat uns in der Angebotspräsentation Zeit gegeben, unsere Gedanken vorzustellen und mit uns diskutiert. Das Ergebnis: wir sind beide eine Runde weiter – wir im Angebotsprozess, der Kunde in seinen Überlegungen.

Mir kommt es manchmal vor, als hätten Kunden gerade in der Ausschreibungsphase eine große Beratungsallergie. CX ist People Business, IT ist People Business – gibt es eine Branche, die mehr “People Business” ist als die Arbeit am heterogenen, emotionalen End-/Privat-Kunden und der jeweiligen Customer Experience? Es geht um Zielsetzung, Vorstellungen – wir müssen immer enger, besser zusammenarbeiten – die Trennung von Rollen wird in einer immer komplexeren VUCA-Welt (oder doch BANI?) immer illusorischer.

Wir erleben immer wieder, dass Kunden während Ausschreibungen nicht einmal mit einem telefonieren wollen. Aus Compliance-Gründen ist das nachvollziehbar – nur treffe ich auf Anbieterseite dann wieder Annahmen, die halt auch falsch oder zu teuer oder komplex sein können und dem Kunden entgehen Ideen und Mehrwerte (man hätte im Beispiel DB-App sicherlich die Login-Hashes übernehmen können). Wir machen das seit 40 Jahren beruflich! Denn der Kunde kauft schließlich Erfahrung, nicht nur Software oder Integrationsleistungen.

Als ich zuletzt bei Wirecard auf der anderen Seite war (nein, ich weiß nicht wo Jan oder die Milliarden sind. Ich habe sie nicht 😊), hatte ich während einer Ausschreibungsphase für das globale Callcenter teilweise wöchentliche Regeltermine mit den shortgelisteten Anbietern – warum auch nicht? Meine Aufgabe war, das beste Angebot für meine Organisation zu besorgen und ein Team zum Erfolg zu führen. Klar, das war harte Arbeit und viel Kommunikationsaufwand. Nur: was hilft mir die beste Technik ohne Buy-in der internen Stakeholder und ohne abgestimmte gemeinsame Zielsetzung mit den Dienstleistern? Ob ich recht behalten hätte, wissen wir leider nicht – the rest as they say is history.

RefleXionen - die Kolumne über Business, IT, Kunden und alles, was dazwischen passt.

Photo by 傅甬 华 on Unsplash

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