IBM Watson Health Cloud und das Rumpelstilzchen-Problem

Illustration of Rumpelstiltskin from Household Stories by the Brothers Grimm, translated by Lucy Crane, illustrated by Walter Crane, first published by Macmillan and Company in 1886.

Ein Kommentar von Gastautor Konrad Buck.

Es war einmal eine schöne, runde Presseinfo. Die spazierte in die Redaktionsstuben dieser Republik und klang sehr plausibel und professionell. Sie erzählte davon, dass in Zukunft die Qualität und Effektivität personalisierter Medizin und allgemeiner Gesundheitsvorsorge nachhaltig verbessert werde. Technologische Basis dafür sei die neue IBM Watson Health Cloud als offene und sichere Plattform für den Austausch zwischen Medizinern, Versicherern und weiteren Akteuren des Gesundheitssektors.

Und nicht nur das.

IBM, die große Firma hinter der wirkmächtigen Watson Health Cloud, intensiviere zusätzlich seine Partnerschaften mit Apple, Johnson & Johnson und Medtronic als wichtigen Anbietern gesundheitsrelevanter Dienstleistungen und Apps. Damit nicht genug, verbreitere IBM mit der Übernahme von Explorys und Phytel auch noch seine analytische Expertise im Gesundheitssektor.

Da waren die meisten Journalisten in den Redaktionsstuben aber mächtig überrascht! Sie ahnten zwar, was ihnen die schöne Presseinfo mit all ihren wunderbaren Weissagungen klarmachen wollte. Aber sie hatten entweder keine Zeit, sich über das Ausmaß der Auswirkungen solcher gebündelter Technologien eine Vorstellung zu machen, um dann darauf aufbauend einen mutigen Bericht oder Kommentar zu verfassen. Oder sie hatten einfach keinen blassen Schimmer, mit welcher Bombe sie es in Form der schönen, runden, harmlos und informativ daher kommenden Presseinfo zu tun hatten.

Also passierte, was meistens passiert, wenn eine schöne Presseinfo in die Redaktionsstuben dieser Republik reinspaziert: Nichts.

Aber das war unserer Presseinfo sowas von entschieden schnurtzegal. Denn sie und ihre Kameradinnen wussten, dass die Firmen, die sie verschickt hatten, dadurch bei ihren Vorhaben in keinster Weise beeinträchtigt wurden. Im Gegenteil: Immer, wenn sich in den Redaktionsstuben niemand so recht um das kümmern wollte, was sich da an Technologien und Konglomeraten anbahnte, konnten ihre Firmen nach Lust und Laune schalten und walten.

Nur das kleine hutzelige Rumpelstilzchen, Hüter der Untugenden Ambivalenz, Neid, Trägheit und anderer humanoider Eigenschaften, die der Durchsetzung aufstrebender Technoloien so oft im Wege stehen, hatte seinen Spaß.

“Ach wie gut, das niemand weiß, wie ich umgeh mit dem Scheiß”

frohlockte das Männlein in seiner Waldeseinsamkeit. Ihm war es bisher noch immer gelungen, Fortschritte so umzusetzen, dass sie nicht die womöglich sogar gewollten guten Absichten der Anbieter erfüllten, sondern sich ausschließlich in ihren schädlichen Emanationen ausprägten.

Also war absehbar, mit welchen Problemen sich die arme große IBM konfrontiert sehen würde: Womöglich entstand in den USA und in der Welt nicht schnell genug eine signifikant große Gruppe entsprechender Nutzer von “Health”-Apps. Womöglich schlossen sich Ärzte, Krankenhäuser oder Gesundheitsbehörden nicht schnell genug oder nicht in genügender Vollständigkeit mit entsprechenden Services und Eigenleistungen an die Watson Health Cloud an. Und womöglich fand die US-Gesellschaft einen Weg, sich davor schützen, dass Watson Health eines Tages sagen würde:

“Diese 500 Leute am Besten gleich abschalten – Behandlung sowohl aussichtslos, als auch zu teuer!”.

Wir wissen nicht, wie es unserer feinen Presseinfo im realen Leben ergangen ist. Und wir können nicht genau abschätzen, wie es der IBM und ihren Partnern mit der Watson-Technologie ergehen wird. Aber wir sollten eins wissen:

Wir dürfen uns nicht verhalten wie Rumpelstilzchen.

Bildnachweis: „Rumpelstiltskin-Crane1886“ von Walter Crane – Rumpelstiltskin from Household Stories at Project Gutenberg. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.

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