Chef Watson™ auf der CCW 2016: Rain Man im kognitiven Kochstudio

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Watson_grafik_rgbVielleicht erinnern Sie sich noch an Dustin Hoffmans Paraderolle in dem Film „Rain Man“, für den er 1989 einen Oscar erhielt. Er spielte den Raymond, Prototyp eines sogenannten „Savants“ oder Inselbegabten. Dieser hatte ein fotografisches Gedächtnis und konnte so unglaublich schnell bestimmte Informationen abrufen, z. B. um beim Kartenzählen im Casino einen Vorteil zu erhalten. Er stellte aber auch seine Bezugspersonen vor große Herausforderungen. Was das mit Cognitive Computing zu tun hat?

Ich denke, dass Wissensarbeiter in Zukunft ähnlich herausfordernde Persönlichkeiten in ihrem virtuellen Team haben müssen, weil ohne sie die Lawine unstrukturierter Information nicht zu bewältigen sein wird. Anders als im filmischen Pendant werden dafür im 21. Jahrhundert Deep-Learning-Techniken in digitalen Systemen eingesetzt – mit noch fantastisch anmutenden Fähigkeiten. Wie im Film sollte dabei nicht im Fokus stehen, solche Systeme “normaler” zu machen, sondern herauszufinden, wie sie typisch menschliches Denken erweitern, und was man von ihrer besonderen Perspektive lernen kann.

Daher stelle ich Ihnen heute Chef Watson™ vor. Das ist ein kulinarischer Cloud-Dienst, den IBM als Demo für seine kognitiven Systeme entwickelt hat. Der Software-Gigant arbeitete dafür mit dem Institute of Culinary Education in New York und dem amerikanischen Koch-Magazin „Bon Appétit“ zusammen.

Wären Sie auf diese Rezeptideeen gekommen?

  • Österreichischer Schokoladen-Burrito
  • Vietnamischer Apfel-Kebap
  • Türkisch-Koreanischer Anchovi-Caesar-Salat
  • Tamarinden-Krautsalat mit Röstzwiebeln
  • Gegrillter Mais- und Nektarinen-Salat mit einer Vinaigrette aus gerösteten Gewürzen

Welchem Rezept folgt ein System, das so kreativ kombiniert?

Flavor Network
Geschmacks-Netzwerk nach Ahn/Ahnert/Bagrow/Barabási (2011)

Man nehme:

  1. Ein Web-basiertes User Interface, in dem die (Hobby-)Köche auswählen können: Erwünschte und unerwünschte Zutaten, eine regionale Küche und ob ein Getränk, ein Nachtisch oder ein ganzes Gericht auf der Speisekarte steht.
  2. Einen ganzen Strauß von Algorithmen, die diese Zutaten und Rahmenbedingungen aufnehmen, ihre Eigenschaften bewerten und vor dem Hintergrund des aktuellen Koch-Wissens kombinieren. Woher kommt dieses Koch-Wissen? Chef Watson™ kennt die Zusammenhänge, weiß welche Zutaten passen. Diese Informationen hat er aus einem „Geschmacksnetzwerk“ gelernt, das Forscher schon 2011 erstellt haben.
  3. Eine intensive Lernphase. Chef Watson™ ist in die Kochschule gegangen und hat unter Anleitung 10.000 bewährte Rezepte „gefressen“ (aufgenommen und inhaltlich zerteilt) und dann „verdaut“ (in Hypothesen übersetzt, und so die Geschmacks-Chemie von Lebensmitteln, ihre Kombinationen, Kochprozesse, Intensitäten und Mengen kennen gelernt, dazu Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten, was wie häufig kombiniert wird, was Menschen schmeckt. So weiß das System, was einen Appetithappen von einem Dessert, einem Drink oder einem Hauptgericht unterscheidet. Oder was eine bestimmte regionale Küche ausmacht.
  4. Einen Algorithmus, der alle denkbaren Kombinationen daraufhin bewertet, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie für Menschen geschmacklich attraktiv und hinreichend unkonventionell sind. Schließlich braucht niemand noch ein Rezept für Spaghetti mit Tomatensoße.
  5. Einen Algorithmus, der die Top-Kombination als lesbares Rezept ausgibt.

Kognitive Systeme ins Team holen

Kognitives Kochen funktioniert. Rezepte, die daraus entstehen, sind überraschend. Aber warum braucht man sowas überhaupt? Warum Mannjahrzehnte der Forschung in technische Systeme stecken und sie jahrelang trainieren, wenn jeder Mensch das am weitesten entwickelte kognitive System mit sich herum trägt?

Meet Your Brain
Meet your Brain: Praktischer Überblick zur aktuellen Hirnforschung

Menschliche Hirne sind gefräßig: Sie schlucken 20–25% der Energie, die dem Körper zugeführt wird. Effizienz war daher unter den Bedingungen knapper Ressourcen überlebenswichtig.

Eine Energiespar-Strategie gesunder Hirne ist es geworden, nicht in jeder Situation bewusste Analysen darüber anzustellen, was alles überraschend neue Verhaltensweisen sein könnten. Es ist ja auch gar nicht so unwahrscheinlich, dass das, was einmal funktioniert hat, auch beim zweiten und dritten Mal funktioniert. Je häufiger wiederholt, desto stabiler das Denk-Muster, je weniger genutzt, desto eher zerfällt das Muster. Das ist keine Metapher: Unsere Hirne sind lebenslang formbar.

Die Macht der Gewohnheit produziert aber keine Überraschungen und passt sich auch nicht schnell veränderten Gegebenheiten an. Gewohnheitstiere sind keine Innovationsvirtuosen, aber Gewohnheitstiere sterben aus, wenn sich die Umwelt immer schneller verändert und der Informationsdruck exponentiell steigt. Die Welt, so wie sie sich im 21. Jahrhundert darstellt, arbeitet gegen die Gewohnheitstiere!

Nun sind Menschen glücklicherweise aber weder Sklaven ihrer Hirnverschaltung noch ihrer Lebenswelt. Der Neokortex erlaubt es uns unter dem Einsatz von Energie und Zeit über die eigene Verfassung zu reflektieren, Neues herauszufinden und auszuprobieren.

Soweit, so gut. Dummerweise fällt es aber gerade den besten Inhalts-Experten schwer, über den eigenen Tellerrand zu schauen – sie sind einfach durch ihre Vorgeschichte zu sehr „vorgebahnt“, als dass sie das Neue auch nur erahnen könnten. Ehemals erfolgreiche Daumenregeln, die in Fleisch und Blut übergegangen sind, haben also eine Kehrseite: Blinde Flecken.

Was wäre, wenn man den Experten jemanden zur Seite stellte, der ganz anders tickt? Der nie müde wird, Netzwerke aus tausenden Alternativen zu überdenken? Der sich und anderen nichts beweisen muss? Der keine Schere im Kopf hat? Dieses neue Team-Mitglied kann ein kognitives System wie Chef Watson™ sein. Es verhält sich eben gerade nicht wie ein menschlicher Experte, sondern wie eine unmenschliche Mischung aus einem Savant wie Rain Man und einem rebellisch-naiven Neuling:

  • Wie ein Savant, weil er das gesamte Netzwerk aller denkbarer Alternativen sowie ihrer inneren Logik gleichzeitig zu betrachten vermag.
  • Wie ein rebellisch-naiver Neuling, weil er keinen Grund hat, sich um bestehende Konventionen zu scheren. Ein Taco österreichischer Art? Wenn’s schmeckt!

Dawn Perry, Digital Food Editor bei Bon Appétit, die schon Monate mit Chef Watson™ gearbeitet hat, fasste es so zusammen:

“The big learning for me came via Watson’s ingredient suggestions. The flavor combinations [the program] suggests, because there are so many, will more often than not suggest something that is not in your regular rotation. Watson gently asks you think outside your own box.” (link)

Chef Watson™ demonstriert also auf spielerische Weise, wie das Verhältnis zwischen einem kognitiven System und Wissensarbeitern in Zukunft sein kann:

  • Informationsberge wachsen immer schneller und werden dem einzelnen immer fremder. Kognitive Systeme zeichnen Landkarten, damit die Erstbesteigung gelingt.
  • Eine komplexe Welt schert sich nicht um die Best Practice von gestern. Kognitive Systeme hinterleuchten blinde Flecken und helfen dabei, dass veraltete Daumenregeln nicht ohne Alternative stehen bleiben.

Die Entscheidung fällen weiterhin Menschen. Aber wenn sie das auf Basis besserer Entscheidungsgrundlagen tun als vorher, mit einem unmenschlich-kreativen, im besten Sinne naiven, künstlichen Kollegen im Team, dann ist schon viel geholfen.

Kognitive Systeme gehen durch den Magen – auf der Branchenmesse Call Center World 2016 (CCW)

Butter bei die Fische: Unsere Chef Watson™-Aktion findet am Dienstag, den 23. Februar und am Mittwoch, den 24. Februar 2016 am brightONE-Stand (Halle 1, Stand A9) statt. Die Initiative RESTLOS GLÜCKLICH kocht ein Gericht, das Chef Watson™ vorschlägt. Dafür kommen Lebensmittel in den Topf, die noch frisch sind, aber sonst vernichtet worden wären.

Stimmen Sie bis zum 18. Februar und direkt an unserem Messestand für Ihre favorisierten Lebensmittel ab und überzeugen Sie sich jeweils am Dienstag, 23.2. und Mittwoch, 24. 2. ab 15.30 Uhr von den Gerichten, die RESTLOS GLÜCKLICH und Chef Watson™ daraus gezaubert haben.

Jetzt teilnehmen

Beim Genuss dieses einzigartigen Gerichts auf unserem Messestand können Sie gleich für die Zutatenliste des nächsten Tages abstimmen. Auch am Mittwoch, den 24. Februar versorgen wir Sie mit einem anderen köstlichen Gericht, bei dem Sie die Lebensmittel bestimmen.

Überzeugen Sie sich selbst davon, was passiert, wenn ein kognitiver Koch mit am Tisch steht!

Weitergehende Information zu den Themen dieses Artikels

  • Chef Watson™ kostenlos im Web ausprobieren.
  • Guter Artikel aus dem Blickwinkel der Testküche, mit der IBM zusammen gearbeitet hat: Bilow für Bon Appétit (2015): “How IBM’s Chef Watson Actually Works“.
  • Rezeptbuch von und mit Chef Watson™: IBM / Institute of Culinary Education (2015): “Cognitive Cooking with Chef Watson™: Recipes for Innovation from IBM & the Institute of Culinary Education”.
  • Navigierbare Infografik, die das Netzwerk der Zusammenhänge von Zutaten zeigt: Scientific American (2013): „The Flavor Connection [Interactive]. Scientists link common flavor compounds across the world’s favorite ingredients”.
  • Prinzipien (PDF Direktlink), die Chef Watson™ Verständnis von Geschmackskombinationen zugrunde liegen: Ahn / Ahnert / Bagrow / Barabási (2011): “Flavor network and the principles of food pairing”. In Scientific Reports. Scientific Reports / Open Access.
  • Kurzes eBook, das entscheidungsrelevante Hirnstrukturen nach dem System des NBA (Neucognitive and Behavioral Approach) beschreibt: Gregory Caremans (2015): “Meet your Brain: An introduction to neuroscience”.
  • Sehr anschaulicher Videokurs auf der Videoplattform Udemy, der die Prinzipien des NBA auf typische Business-Herausforderungen anwendet: Gregory Caremans (2014): “Neuroscience for Leadership and Management”.

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