“Ein Wissensmanager ist heute Idealist” – Fragen an Stefan Holtel zur Diskussion auf der KnowTech 2014

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Von Vorständen verordnetes Wissensmanagement ist mausetot.

Stefan HoltelAm zweiten Tag der KnowTech 2014 wurde eine steile These formuliert: “Die Zeit des Wissensmanagers ist vorbei – es lebe der Data Scientist“.

Stefan Holtel, Querdenker bei brightONE Consulting, saß im Panel der Diskutanten.

In diesem Interview bezieht er pointiert Position zum Stand des Wissensmanagements und sieht große Fragen auf uns zu rollen.

Neben Stefan Holtel diskutierten Dirk Dobiéy (Vice President Knowledge and Enablement Solutions, SAP SE), Simon Dückert (Geschäftsführer, Cogneon GmbH) und Klaus Reichenberger (Geschäftsführer, intelligent views gmbh).

Kai Nörtemann: Was ist für Dich eine zeitgemäße Sichtweise auf Wissensmanagement?

Der Begriff «Wissensmanagement» ist verbrannt.

In den 1990er-Jahren geprägt, machte Wissensmanagement viele Versprechungen, von denen die meisten nicht erfüllt wurden. Aber: die Themen von Wissensmanagement sind brisanter denn je. Die Wissensgesellschaft platzt aus allen Nähten und vor uns ausgebreitet liegen nun die Fetzen dieses Flickenteppichs, den niemand mehr zusammenhalten kann.

Wissensmanagement hat sich ausdifferenziert und taucht heute in zahlreichen Facetten im Unternehmensalltag auf: Personalentwicklung, Marketing, Produktion, Forschung, Management, usw.

Möglicherweise war das Konzept von Wissensmanagement, als es vor 30 Jahren entstand, seiner Zeit voraus; keine unerfüllbare Utopie, aber dennoch zu früh.

Technischer Fortschritt und gesellschaftliche Paradigmenwechsel machen es aber heute anfassbar, greifbar und konkret. Einerseits lässt Wissensmanagement also die Theorie hinter sich und betritt die Praxis, andererseits hat es aber seinen frühen Nimbus verspielt.

In der Diskussion schien es keine Einigkeit über die Rolle des Wissensmanager gegeben zu haben. Was macht für Dich ein Wissensmanager aus?

Ein Wissensmanager ist gleichzeitig ein Quer- und ein Tiefdenker (ähnlich dem T-Modell der Fähigkeiten), allerdings mit großen Stärken im Querdenken. Er hält seine Nase in den Wind und erschnuppert, wann und an welchen Stellen geeignete Initiativen gestartet werden müssen, um Wissensmanagement wahlweise zum Leben zu erwecken, am Leben zu erhalten oder vor dem Ableben zu bewahren.

Und: Ein Wissensmanager ist heute Idealist.

Er kämpft ständig gegen die Hydra der Organisation und hat nur Erfolg, wenn seine Initiativen in der Organisation von unten getragen, goutiert und eingefordert werden.

Dagegen ist von Vorständen verordnetes Wissensmanagement mausetot.

Big Data und der Data Scientist: werden wir wieder auf Tools zurückgeworfen, nach dem jahrelange propagiert wurde, dass Wissensmanagement nicht von diesen ausgehen sollte?

Gute Frage! Big Data wird immer sichtbarer, weil sich Methoden, Werkzeuge und Berufsbilder an diesem Trend auszurichten beginnen. Und diese Entwicklung wird dem Wissensmanagement einen neuen Schub bringen.

Dabei wird Cognitive Computing, das Big Data um Methoden und Werkzeuge erweitern, die Massendaten für die Wissensarbeit verfügbar machen, deren Verwendung popularisieren und demokratisieren.

Das wird Konsequenzen haben – bis hinein in Entscheidungswege einer Organisation und die Ausbildung von Wissensarbeitern. Cognitive Computing wird neue Geschäftsmodelle forcieren und bestehende massiv verändern.

Gartner sieht die Notwendigkeit von Big Data zu den «Big Questions» zu kommen – welche großen Fragen siehst Du, und wo kommen die Antworten her?

Die größte «Big Question» ist:

Welchen moralischen und ethischen Werte legen wir zugrunde, wenn mit innovativen Werkzeugen wie kognitiven Systemen und smarten Roboter ökonomische Fakten geschaffen worden sind?

Die zukünftigen Zuwächse in der Produktivität der Wissensarbeit werden Arbeitsplätze kosten. Aktuelle Studien rechnen hoch, dass bis zur Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze betroffen sein könnten.

Auf solche Prognosen brauchen wir moralische und ethische Antworten – und nicht nur wirtschaftliche.

Welchen Weg gilt es für Unternehmen und Berater zu gehen?

Jedes Unternehmen muss die «Big Questions» für den eigenen Kontext erkennen und Antworten geben können. Die Berater unterstützen ihre Klienten dabei,  ihre Firmenkultur, die Prozesse, Werkzeuge und Methoden dafür anzupassen oder einzuführen. Sie helfen den Unternehmen, die Sinnfrage richtig zu stellen.

Eine normative Antwort darauf müssen die Unternehmen dann aber selber geben.

Was wünschst Du Dir für die KnowTech 2015?

Mehr konkrete Perspektiven auf die Konsequenzen von Cognitive Computing für die Wissensarbeit und mehr interaktive Formate wie zum Beispiel LEGO Serious Play.

Das Wissensmanagement verharrt heute oft in selbstreferenziellen Diskurschleifen der 1990er-Jahre. Diese liefern keine Antworten auf die Herausforderungen von heute.

Es müssen alte Zöpfe abgeschnitten und neue Frisuren ausprobiert werden.

Vielen Dank!

Foto: BITKOM

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